Seilzugangstechniker – Eine vielseitige Tätigkeit
Höhenarbeiter sind Personen, die unter Zuhilfenahme von Seilen an schwer zugänglichen, meist hoch gelegenen Orten Arbeiten ausführen.
Die Seilzugangs- und Positionierungstechnik wurde im Lauf der Jahre immer weiter professionalisiert und die Weiterentwicklung des Materials, welches im Alpinismus, beim Sportklettern oder der Höhlenforschung verwendet wurde, hat einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, dass Arbeiten an hoch gelegenen oder schwer zugänglichen Arbeitsplätzen heute sicher ausgeführt werden können. Ausrüstung und Verfahren sind auf die spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen des modernen Höhenarbeiters zugeschnitten und abgestimmt. Sie haben mit den ursprünglichen Methoden und Geräten aus dem Freizeitbereich nur noch wenige Gemeinsamkeiten.
Die Verwendung von Seilzugangstechniken hat sich schnell und in unterschiedlichen Branchen, wie z.B. Bauwesen, industrielle Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten sowie Gebäudereinigung etabliert.
Die vielseitigen Einsatzgebiete fordern den Anwendern und Unternehmen nicht nur die Fertigkeiten der traditionellen Gewerke ab, sondern insbesondere die Kompetenz immer komplexer werdende Zugänge zu realisieren. Dies erfordert eine stetige Anpassung der praktischen Anwendung und zieht damit die Notwendigkeit einer permanenten Weiterbildung nach sich. Professionelle Höhenarbeiter sind bei der Abwicklung vieler Projekte nicht mehr wegzudenken, die Branche generiert Arbeitsplätze und hoch spezialisierte Unternehmen engagieren sich bei der Ausbildung des Personals.
Diese Vielfalt ermöglicht es zum einen die Fertigkeiten der einzelnen Höhenarbeiter auszubauen, zum anderen die Angebotspallette der traditionellen Gewerke zu vergrößern, wenn Arbeiten an exponierten Orten ausgeführt werden müssen, die mit herkömmlichen Methoden nicht erreichbar sind. Es kann daher von einer dualen Geschäftskompetenz gesprochen werden: Schweißen am Seil, Beschichten am Seil, Sichtprüfung am Seil, etc.
Geschichte der Ausbildung und Zertifizierung in Europa
Schon zu Beginn der 80er haben Höhenarbeiter spezielle Trainings für Seilzugangs- und Positionierungstechniken entwickelt und an die Anforderungen der Industrie angepasst. Um die Sicherheit der Anwender auf der Baustelle zu garantieren und den Anforderungen der Europäischen Regelwerke gerecht zu werden, haben Interessensgruppen in einigen Mitgliedsstaaten vollkommen unabhängig von einander folgenden Schritte unternommen:
- Das Zugangsverfahren in dem jeweiligen nationalen Arbeitsumfeld beschrieben und analysiert
- Vorgaben in Bezug auf die Fertigkeiten des Höhenarbeiters definiert
- Wesentliche Punkte für die Ausbildung präzisiert
- Kriterien für die Bewertung der Ausbildung entwickelt
Das Resultat dieses Vorgehens war die Schaffung nationaler Qualifikationssysteme.
Die Direktive 2001/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates erkennt das Zugangsverfahren als Arbeitsmittel offiziell an. Ohne Abstimmung zwischen den Ländern haben die national agierenden Fachverbände der Branche ihre Zertifizierung in drei Stufen unterteilt und setzten damit den Grundstein für das strukturierte, kompetenzorientierte erlernen der notwendigen Fachkenntnisse. Seilzugangstechnik ist ein florierender, wenn auch überschaubarer Industriezweig, in dem Sicherheit an erster Stelle steht.
Im Jahr 2010 kamen mehrere nationale Interessenverbände zu einem Europäischen Branchentreffen der Seilzugangstechnik zusammen, um sich bezüglich des Standes der Technik und qualifizierter und sicherer Arbeitsorganisation auszutauschen. Die Öffnung der Märkte und die damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union haben die Vertreter ermutigt über eine gemeinsame Plattform nachzudenken, um die gegenseitige Anerkennung der einzelnen Zertifizierungssysteme zu ermöglichen.
Um die spezifische Besonderheit des Zugangsverfahrens zu wahren und in allen Industriezweigen zu promoten, haben mehrere Verbände im November 2012 das Europäische Komitee für Seilzugangstechnik , ECRA (European Committee for Rope Acces) gegründet. Dieses Komitee setzt sich aus den Institutionen ANETVA (Spanien), FISAT (Deutschland), SFETH und DPMC (Frankreich) sowie SOFT (Norwegen) zusammen. Parallel wurden Kontakte mit Akteuren aus der französischen Schweiz, Luxemburg, Rumänien und Bulgarien und über die europäischen Grenzen hinaus mit den USA, Neuseeland und Australien geknüpft.
Neben der Harmonisierung der Techniken hat ECRA die Mindeststandards für das Zugangsverfahren und die damit verbundene Ausbildung und Zertifizierung in einer 14 Punkte umfassenden Erklärung definiert. Die wesentlichen Punkte dieser Deklaration sind:
- Die unterzeichnenden Verbände verpflichten sich, das höchstmögliche Sicherheitsniveau zu fördern und zu etablieren, die bestmöglichen Techniken zu identifizieren und die Kenntnisse der Anwender permanent weiterzuentwickeln
- Die mit der Prüfung der Anwender und Ausstellung der Ausweise beauftragte Zertifizierungsstelle muss von der Ausbildung unabhängig sein
- Die gegenseitige Kameradenrettung sollte integrativer Bestandteil der Prüfung aller Qualifikationsstufen sein
- Eine Sicherheits- und Arbeitsrichtlinie (code of best practice) für den Einsatz von Seilzugangs- und Positionierungstechniken muss in Schriftform vorliegen
- Ein Zertifizierungsstandard, bzw. eine Prüfungsordnung sollte in Schriftform vorliegen
- Eine regelmäßige Wiederholung und Vertiefung der erlernten Kenntnisse ist obligatorisch
- Europäische Empfehlungen und Vorschriften sind zu berücksichtigen
Die angestrebte Europäische Qualifikation ist die Fortsetzung der kontinuierlichen Arbeit der vergangenen drei Jahre und soll das Verständnis für die angewandten Praktiken und die Akzeptanz der Branche fördern. Die in den Partnerländern etablierten Zertifizierungssysteme sowie die daraus resultierenden Erfahrungen bilden das Fundament hierfür.